Landreservat
( Teil des RESEX )
Da heute die Probleme der zusammengbrochenen Langustenfischerei weniger dringlich geworden sind, rückt die Verteidigung des Landreservates inmitten einer grossartigen Dünenlandschaft in den Vordergrund.
Reservierung von Landparzellen sind im RESEX illegal
Noch vor ein paar Jahren war die Einzäunung von Parzellen kein Thema gewesen. Während der Pandemie nahm sie überhand, da staatliche verordnete Covid Quarantäne die Kontrollen behinderte.
Die laut RESEX Regeln Illegalen Landverkäufe müssten rückgängig gemacht, die Landreservierungen für Nachkommen der Einheimischen von den staatlichen Kontrollorganisationen "Chico Mendes CMBio" zusammen mit dem lokalen „Beirat“, dem "Conselho", kontrolliert werden. Illegal gebaute Ferienhäuser müssten eigentlich abgerissen werden.
Bis die gesetzlich verankerten staatlichen Kontrollen wieder regelmässig aufgenommen werden, wird es wohl noch etwas dauern. Der desolate Zustand des lokalen Büros der staatlichen Kontrollorganisationen
"Chico Mendes CMBio" spricht Bände.
Der letzte Rapport in Sachen illegaler Landverkäufe in Prainha auf der Info-Seite von "Chico Mendes CMBio" ist von 2016:
Büro "Chico Mendes"
Das Gemeinwohl steht in Prainha nicht mehr im Vordergrund, die Jugend ist nicht mehr mit dem Kampf um das RESEX vertraut. Nun sind die einstigen, eher europäischen Ideen zur Erhaltung und Gestaltung des Dorfes nicht mehr gefragt. Der Pionier René Schärer, ursprünglich ein Swissair-Manager, ist nun über 80 Jahre alt. Er war damals treibende Kraft hinter der Erklärung zum RESEX durch den Kongress. Auch hatte er eine Schonzeit-Entschädigung für die Langusten Fischer erkämpft und das lokale Tourismus-Projekt weltweit als Vorbild bekannt gemacht. Er ist mittlerweile krank, vom Dorfgeschehen abgeschnitten und wird von den meisten Prainhanern als "kolonialer europäischer" Brasilianer geschnitten.
Nicht nur er hat wegen den langsam mahlenden Mühlen der Justiz immer noch mit Klagen der Resex-Gegner zu kämpfen. Der mächtigster Gegenspieler war und ist:
Der Oligarch Tales de Sé Cavalcante ist ein einflussreicher Unternehmer aus Fortaleza. Obwohl mittlerweile an die 80 Jahre alt, gehört er noch immer zur alteingesessenen Elite im Bundesstaat Ceará. Schon1980, während der Militärdiktatur, erwarb er illegal Papiere, um in Prainha eine Villa zu bauen. Inzwischen behauptet er, über die Hälfte des Landes von Prainha zu besitzen. Zwar verlor er diesbezüglich einen Prozess, wurde aber trotzdem nach der Gründung des Land- und Meerreservates RESEX 2009 vom Staat Ceará entschädigt.
Seit 2002 ist er ein UNESCO-dotierter „Wohltäter“ (Regionaler Koordinator des PEA-UNESCO-Netzwerks). Er ist Eigentümer einer Privatschule, an der Jugendliche von öffentlichen Schulen auf eine Universitätskarriere vorbereitet werden. Die Abgänger von öffentlichen Schulen schaffen normalerweise die schwierige Aufnahmeprüfung an kostenlose staatliche Hochschulen nicht ohne solche kostenpflichtigen Vorbereitungskurse.
Er arbeitet weiter daran, die Dorfgemeinschaft in Prainha zu schwächen. So bestach er Nachbarn, gründete und finanzierte "inoffiziell" einen zweiten, neuen Gegen-Einwohnerverein. Dieser intrigiert gegen den alten Verein und versucht, das 2009 erklärte RESEX gerichtlich wieder aufzuheben. Sein Einfluss auf die Jugend, die von ihm unterstützte Dorfschule und die Bildung ist gross. Attraktiv findet die Jugend vor allem, dass sie nach einer etwaigen Aufhebung des RESEX-Status die Häuser ihrer Eltern gewinnbringend verkaufen könnte.
Das ehemalige Vorzeigedorf hat nun genug von den Fragen der Journalisten und Wissenschaftler. Lindomar Lima sprach in seiner Rolle als "Repräsentant" zusammen mit der Lehrerin Jaila Fernandez als einer der wenigen vor der Kamera; Seine Erklärung, warum illegale Einzäunungen und Verkäufe von Landparzellen derart überhand genommen haben, zeigt die Hilflosigkeit und Ohnmacht der RESEX Verteidiger gegenüber der grassierenden Gesetzlosigkeit auf.
Lindomar Lima
Vertreter des "alten, ursprünglichen " Einwohnervereins in Prainha
Vor 20 Jahren gehörte er zu den jugendlichen Kämpfern der ersten Stunde für das Resex.
Er war Delegierter auf dem Weltsozialforum in Brasilien. Vor einem Jahrzehnt bewarb er sich erfolglos für ein Amt in der Lokalpolitik. Anschliessend kehrte er reumütig in sein Dorf zurück und wurde Vorsitzender der Fischereikommission, obwohl er seit seiner Jugend nicht mehr auf dem Meer war.
Er sorgt sich vor allem um die zunehmende Drogenabhängigkeit der Jugend.
Jaila Fernandez
Lehrerin
Auch sie verpflichtet sich seit ihrer Jugend zusammen mit ihren Eltern dem Kampf ums RESEX. Nach dem Besuch von Videokursen postete sie als Jugendliche jahrelang im Netz Videos über Prainha. Sie kennt Europa von Verwandten-Besuchen.
Heute ist sie völlig desillusioniert, was die Zukunft des RESEX betrifft!
2014
Lokalpolitik Ceará 2022:
Im Staate Ceará sind alte Seilschaften schwer zu beseitigen, was ein Video-Ausschnitt aus dem DOK "Zoff im Paradies" zeigt.
Auch im ursprünglichen Einwohnerverein hängt der Haussegen schief: Es hat sich eine Art Führungs-Oligarchie gebildet, die im wesentlichen aus einer weitverzweigten Familie besteht. Ihre Mitglieder werden abwechselnd entweder ins Präsidium oder in den Vorstand gewählt. Auch beanspruchen sie einen Grossteil der der Reisespesen und entsenden fast nur Angehörige zu Kursen und Kongressen. Andere Familien werfen ihnen Nepotismus vor.
Davor warnte schon 2009 die deutsche Anthropologin Carolin Brugger in einer Arbeit.
Drastische Auswirkungen:
Hausverlust und Räumungsbefehl
Der Oligarch Tales, der von Anfang an gegen das RESEX intrigierte, versuchte schon sehr früh, nicht nur durch den neuen Einwohnerverein, auch durch Einfluss auf die Dorfschule zu bekommen. Es gelang ihm, bei der lokalen Bildungsbehörde zu intervenieren und den damaligen Pro-RESEX Schuldirektor "Dedé" Costa Ferreira zum Lehrer herunterzustufen. Ein neuer Rektor zeigte sich Tales gegenüber versöhnlicher.
Aber das Ganze begann schon im Jahre 2010 als Dedé die Hütte seines Vaters erbte, sie abriss um es durch ein neues, modernes Haus zu ersetzen. Dazu bekam er die offizielle Erlaubnis vom alten Einwohnerverein. Die RESEX-Bauregeln besagen, dass man in Prainha ansässig und dort geboren sein musste um zu bauen.
Plötzlich tauchte dann ein sog."portugiesischer Besitzer" auf seinem Grundstück auf, der einen Prozess angestrengte, dem Gericht einen Kaufvertrag vorgelegte. Das Gereicht akzeptierte dieses Dokument, obwohl es keine offizielle Urkunde war.
Der Fall wurde aber nach mehreren Jahren archiviert und 2019 wieder ausgegraben, ohne den Lehrer Dedé davon zu informieren oder ihm eine Chance auf Verteidigung zu geben. Der Richter, der das Urteil erliess, steht unter Korruptionsverdacht und wurde in vorzeitigen Ruhestand versetzt. Unklar ist, ob dies nur ein privatrechtlicher Konflikt ist oder dazu dienen soll, das RESEX und die Dorfgemeinschaft als Ganzes zu schwächen. Glücklicherweise haben sich nun einige Menschenrechtsanwälte der Sache angenommen und konnten 2019 Dedé's Räumungsbefehl vorerst aussetzen.
Die juristische Rangelei um Dedé's Haus pausierte während der Pandemie. Doch jetzt wünscht sich Dedé so bald wie möglich ein Urteil - wie immer es auch ausfallen mag. Die Ungewissheit macht ihm und der Familie mehr und mehr zu schaffen. Er hat nach der Wahl von „Lula“ als Staatsoberhaupt wieder Hoffnung geschöpft:
Denn neben den beiden sich konkurrierenden Einwohnervereinen existiert in Prainha das sog."Conselho", eine Art externer "Beirat".In ihm sind nun neu Vertreter beider Einwohnervereine vertreten. Der auf jeweils zwei Jahre gewählte Beirat umfasst die Vertreterin der Frauengruppe, einen Vertreter der Fischer, der Handwerker und des Gesundheitswesens. Der Conselho soll den staatlichen Organen, insbesondere CMBio, mit lokalen, zeitgemässen Vorschlägen zur Seite zu stehen.
Theoretisch ist der neue „Conselho“ eine gute Idee. Er ist ein Versuch, die Blockade durch die beiden Einwohnervereine aufzuheben und ermöglicht es den verschiedenen Interessengruppen, mitzubestimmen, wie die Dinge im Resex laufen sollen. Das hoffen jedenfalls Lindomar und seine Mitstreiter.
Zusammen mit einer verschärften staatlichen Kontrolle gegen den illegalen Landverkauf erwarten sie, dass so der Kampf um den Erhalt des Resex gewonnen werden kann.
Carlos Alberto Pinto dos Santos (BA)
Fischer
Mitglied der Übergangsregierung 2023
Präsident der Kommission für brasilianische RESEX
und traditionelle Völker.
Preisgekrönter Naturschützer
hat ein Posten in der Regierung Lulas in Brasilia ausgeschlagen, da er immer noch fischt und sich um sein lokales RESEX in Canavieiras, Bahia, kümmern will.
Der RESEX-Experte Carlinhos plädiert für eine komplette Neuorientierung der RESEX-Regeln und Gesetze. Sie müssten an die heutige Zeit angepasst werden:
"Wenn man mich fragt, ob einige RESEX
nach mehr als 20 Jahre alten Regeln überleben werden:
Nein!
...wir leben heute in einer anderen, neuen Welt.
Ob eine komplette Neuausrichtung der RESEX-Rechtsgrundlagen in den vier Regierungsjahren von Lula möglich ist, kann man nur schwer vorhersagen. Lula hat viele offene Baustellen und muss sich mit einem überwiegend rechten Kongress zusammenraufen. Da sind Spannungen vorprogrammiert, vor allem, wenn es um Fragen von Umweltschutz und Erhalt von Schutzgebieten geht.