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Pedro Castillos Intermezzo und Machtübernahme der Mafia

 

Der Landschullehrer und linke Gewerkschafter Pedro Castillo wurde 2021 in einer Stichwahl gegen die Diktatorentochter Keiko Fujimori überraschend zum Präsidenten gewählt. Er war jedoch politisch unerfahren und machte viele Fehler. So ernannte er viele Minister und hochrangige Beamte, die keinerlei Qualifikation hatten und gegen die Prozesse liefen. Im zersplitterten und von zahlreichen Kriminellen durchsetzten Kongress hatte er keine Mehrheit und keine erfahrenen Parteigenossen, die seine Agenda durchsetzten. Dann überwarf er sich auch noch mit dem marxistischen Parteichef seiner Bewegung Peru Libre. 

Die unterschiedlichen Mafia- und Lobbygruppen versuchten, die unerfahrene Regierung zu erpressen und strengten zweimal ein Misstrauensvotum an, das Castillo aber knapp überstand. Innerhalb von sechs Monaten verschliss Castillo vier Kabinette. Zahlreiche seiner Mitarbeiter und Familienangehörige gerieten unter Korruptionsverdacht. Im Badezimmer des Büros von Präsidentensekretär Bruno Pacheco wurden beispielsweise 20.000 US-Dollar gefunden. Medien beschuldigen ihn, Mitglieder der Streitkräfte unter Druck gesetzt zu haben, um dem Präsidenten nahestehende Personen zu befördern. So verlor die Regierung rasch an Rückhalt.

Im Dezember 2022 versuchte Castillo, den Kongress aufzulösen, was dieser als Staatsstreich wertete und ihn absetzte. Castillos Vizepräsidentin Dina Boluarte wurde eingeschworen und schlug sich umgehend auf die Seite einflussreicher Mafiagruppen und rechter Lobbyisten. Der Kongress lockerte Umweltauflagen, Boluarte warf Castillo vor, vom Drogenhandel finanziert worden zu sein. Beweise dafür blieb sie schuldig. Die Drogenmafia nutzte jedoch die politischen Wirren, um ihre Positionen inbesondere im Amazonasgebiet auszubauen. Zwischen 2015 und 2022 stiegen die Anbauflächen für Koka um 135%. 

Im Dezember 2023 begnadigte Boluarte Fujimori, der unter grossem Protest von Menschenrechtsorganisationen das Gefängnis verliess. Er wurde abgeholt von seiner Tochter Keiko, die damit ihr politisches Ziel erreicht hatte. Anfang 2024 forderte die Staatsanwaltschaft 34 Jahre Haft gegen Castillo wegen eines versuchten Staatsstreichs. 

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Die kurze Ära von PPK (inhaftiert) und sein Nachfolger Martín Vizcarra (angeklagt)

Der Ingenieur und Exgouverneur der Provinz San Martin, Martin Vizcarra, kam zu dem Posten wie die Jungfrau zum Kinde:

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Als die neoliberale Interessenslobby einen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2016 suchte, fiel die Wahl auf den in den USA ausgebildeten Banker und Millionär Pedro Pablo Kusczynski, bekannt als PPK, weil keiner seinen Namen aussprechen kann. Doch weil der arg elitär daher kam, stellten sie ihm den bodenständigen Ingenieur Martín Vizcarra zur Seite, der in seiner Heimatprovinz San Martín eine gute Arbeit gemacht hatte. Kusczynski besiegte in der Stichwahl knapp die Tochter des Expräsidenten Fujimori, Keiko, überlebte aber nur eineinhalb Jahre. Die „Fujimoristas“, die im Kongress die Mehrheit haben, machten ihm das Regieren unmöglich. 

Ausserdem deckte die Justiz bei Ermittlungen auf, dass PPKs Firma Beraterhonorare von der brasilianischen Baufirma Odebrecht kassiert hatte, als er unter Toledo Minister war. Anschliessend hatte der Konzern lukrative Aufträge wie den Bau von Fernstrassen und Energie-Infrastruktur bekommen. Die Fujimoristas sahen ihre Stunde gekommen und strengten Ende 2018 ein Misstrauensvotum an, vor dem PPK zurücktrat. Doch der Jubel seiner Gegenspielerin, als PPK wenige Monate danach festgenommen wurde, währte nur kurz: wenig später landete auch Keiko im Zusammenhang mit den Korruptionsermittlungen im Gefängnis. Vizcarra versprach harte Massnahmen gegen die Korruption. Das sorgte immer wieder für Spannungen mit dem Kongress. Die Fujimori-Partei Fuerza Popular schloss sich mit der einst sozialdemokratischen Apra zusammen, um den Präsidenten unter Druck zu setzen. Vizcarra wurde  im Dezember 2020 abgesetzt, nach einem kurzen Intemezzo ernannte der Kongress Francisco Sagasti zu seinem Nachfolger. Vizcarra wurde 2024 wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe von Bauaufträgen angeklagt.

Expräsident Ollanta Humala (inhaftiert)

 

Der ehemalige Militär wurde 2011 zum Präsidenten gewählt und amtierte bis 2016. Unter anderem war er in der Koka-Hochburg Tingo Maria stationiert. Seine Partei „Gana Peru“ geriet wegen Verbindungen zur Drogenmafia in die Schlagzeilen.

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Aus der Partei wurden die Kongressabgeordneten Nancy Obregón und Elsa Malpartida wegen Verwicklung in Drogengeschäfte ausgestossen. Wichtigster Verbindungsmann zwischen der Regierung und der Mafia , war nach Angaben des Drogenexperten Jaime Antezana der Abgeordnete und Ex-Anführer der Kokabauern aus dem VRAEM-Tal, Walter Acha zusammen mit drei weiteren Abgeordneten von „Gana Peru“. Aber auch die anderen Parteien haben Antezanas Recherchen zufolge jeweils zwischen zwei und drei Narcoabgeordnete in ihren Reihen. Was Humala und seiner Frau Nadine aber letztlich einen Haftbefehl einbrachte, waren ebenfalls ihre Beziehungen zum brasilianischen Baukonzern Odebrecht. Der soll ihre Kampagne mit drei Millionen US-Dollar finanziert haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geldwäsche und erliess 2017 einen Haftbefehl gegen Ollanta und seine Frau Nadine. Beide sind in Hausarrest. Die Staatsanwalt forderte 2019 20 Jahre Haft für Humala.e und erliess 2017 einen Haftbefehl gegen Ollanta und seine Frau Nadine.

 

Noch stärker war die Infiltration in seiner Ära aber auf lokaler und regionaler Ebene. In Humalas Amtszeit ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen 19 der 25 Regionalpräsidenten und 90 Prozent aller Bürgermeister wegen Korruption, Geldwäsche, Drogenhandel, Zuhälterei und Mord; einige davon wurden auch verurteilt. Aufsteiger am Himmel der Narcoparteien war die neue „Allianz für den Fortschritt“. Ihr Anführer ist  César Acuña, der innerhalb weniger Jahre mit einem Fussballclub und Privatuniversitäten zum Multimillionär aufstieg und zum Regionalpräsidenten der Provinz La Libertad gewählt wurde – obwohl ihn seine eigene ExFrau der Geldwäsche bezichtigte. Von dort plante er den Einzug in den Präsidentenpalast. Doch der Wahlrat überführte ihn des Stimmenkaufs und falscher Angaben bei der Registrierung zum Kandidaten und schloss ihn von der Wahl aus. Seine Partei kontrolliert aber weiter die Region La Libertad. Deren Hauptstadt ist die Hafenstadt Trujillo, einer der wichtigsten Drogenumschlagplätze des Landes.

Expräsident Alan García (beging 2019 Selbstmord, um Festnahme zuvor zu kommen)

„In Peru ehrlich zu sein, ist dumm“, hat García einmal gesagt.

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Der Politiker der sozialdemokratischen Apra-Partei war zweimal Staatschef, während der heissen Phase des Bürgerkriegs von 1985 bis 1990, als die Drogenmafia und die Selbstverteidigungsgruppen ihre Allianz schmiedeten, und nochmals von 2006 bis 2011. Beide Kampagnen wurden Presseberichten zufolge von der Drogenmafia mit finanziert.

 

In den 90er Jahren war García im Exil, unter anderem in Kolumbien, wo er Kontakte zu Mitgliedern des Cali-Kartells pflegte. Die Apra-Partei gilt als Pionierin der Narcopolitik. Als 1980 bei einer der ersten Operationen gegen den Drogenhandel ein LKW mit 475 kg Kokapaste ins Netz ging, stellte sich heraus, dass dahinter ein einflussreicher Unternehmer und Finanzier der Apra-Partei steckte: Carlos Langberg. 1985, inmitten des Präsidentschaftswahlkampfes, flog in Lima ein Kokainlabor in die Luft. Das Anwesen gehörte einem Geschäftspartner Langbergs. Die Verteidigung des Angeklagten übernahm Vladimiro Montesinos, der später noch Narco-Geschichte schreiben sollte. Die Anklage gegen Langberg wurde fallengelassen. 1988 wurde in Deutschland der Apra-Abgeordnete Manuel Angel del Pomar festgenommen, als er 18.000 Mark vom Konto eines Drogenhändlers bei der Kommerzbank in Berlin abheben wollte. Er wurde zu acht Jahren Haft verurteilt. Gegen García wurde jahrelang ermittelt wegen Geldwäsche und Korruption. Als die Staatsanwaltschaft Mitte 2019 genügend Beweise zusammengetragen hatte, um ihn festzunehmen, nahm sich García das Leben. Auch er hatte den Ermittlungen zufolge Schmiergelder von Odebrecht angenommen.

Expräsident Alejandro Toledo (wurde 2024 an Peru ausgeliefert und vor Gericht gestellt)

Nach einer kurzen Übergangsregierung im Anschluss an den Sturz von Alberto Fujimori wurde im Jahr 2001 Alejandro Toledo an der Spitze seiner Partei „Peru Posible“ für fünf Jahre zum Präsidenten gewählt.

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Mitglieder des Drogenkartells „Los Norteños“ erklärten kurz nach Toledos Wahl in einem Prozess, sie hätten 1992 dem Unternehmer Fernando Zevallos, eine Million US-Dollar bezahlt, damit er davon seine Fluglinie AeroContinente aufbauen und Drogen transportieren könne. 

Gegen die Linie wurde zu dem Zeitpunkt bereits in Chile und den USA ermittelt;  die peruanischen Richter hielten die Beweise jedoch für nicht ausreichend und sprachen Zevallos frei. Recherchen peruanischer Medien brachten in den folgenden Jahren neue Beweise zutage – unter anderem ein riesiges Netz von Gefälligkeiten (u.a. Gratisflüge) die Zevallos Richtern, Staatsanwälten, Polizeichefs und Kongressabgeordneten gewährte. Nach Angaben einer Ex-Mitarbeiterin Toledos und eines Informanten der US-Anti-Drogen-Behörde DEA hatte Zevallos auch Toledos Wahlkampf finanziert. Die Anschuldigungen mündeten schliesslich 2005 in die Verurteilung Zevallos zu 20 Jahren Haft wegen Drogenhandels und Geldwäsche. Gegen seine einstigen Beschützer wurde nicht ermittelt.

 

Ein weiterer Clan, der unter Toledo aufstieg, war die Familie Sánchez Paredes, Eigentümer eines Bergbau- Viehzucht- und Immobilienimperiums aus der Küstenprovinz La Libertad. Bereits 2002 gab es Ermittlungen wegen Geldwäsche, die aber rasch eingestellt wurden. Später wurden Fotos bekannt, wo Mitglieder der Familie mit dem Landwirtschaftsminister von „Peru Posible“, José León, zu sehen sind. Die Ermittlungen begannen erst nach dem Ende von Toledos Amtszeit 2007 und verliefen schleppend, immer wieder wurden Richter ausgewechselt und Anhörungen verschoben. Gegen Toledo wurden im Zusammenhang mit dem Odebrecht-Skandal 2017 Ermittlungen aufgenommen. Einer Festnahme entzog er sich, indem er sich in die USA absetzte. Dort verfügt der ehemalige Weltbank-Mitarbeiter über einflussreiche Freunde. Erst 2023 gab die US-Regierung dem peruanischen Auslieferungsantrag grünes Licht. Er wartet nun im Gefängnis auf einen Prozess. Ihm wird vorgeworfen, 35 Millionen US-Dollar Schmiergeld vom Odebrecht-Konzern angenommen haben im Gegenzug für die Konzession eine Straßenkorridorprojekts. Die sogenannten Interoceanica ist eine wichtige Route für den Schmuggel von Drogen und illegalem Gold im Amazonasgebiet und verbindet Peru und Brasilien.

Expräsident Alberto Fujimori (begnadigt)

Fujimori (1990-2000) eröffnete die Riege der inhaftierten Expräsidenten. Wie auch sie wurde er wegen Korruption verurteilt. Hinzu kommen aber schwere  Menschenrechtsverletzungen. Doch gerade seine Regierung war am engsten mit der Mafia liiert, insbesondere mit dem Medellin-Kartell Pablo Escobars. Schon die erste Kampagne wurde einem Untersuchungsausschuss des Parlaments zufolge von kolumbianischen Kartellen finanziert.

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Die Schlüsselfigur des Geschäfts war Fujimoris Geheimdienstberater, Vladimiro Montesinos. Er hatte eine Allianz mit dem peruanischen Statthalter des Medellin-Kartells, Demetrio Chávez Peñaherrera alias "El Vaticano" geschmiedet. „Ich zahlte für jeden Flug 15.000 Dollar an dem Kommandant der Militärbasis. Ich habe ihn auch im Kampf gegen die Guerrilla unterstützt, wir waren sozusagen Verbündete. Das Militär hat mir Bagger und eine Planierraupe zur Verfügung gestellt, damit ich einen Teil der Landstrasse zur Landepiste ausbauen konnte. Alle Maschinen waren Staatseigentum. Wenn man im Dschungel Geschäfte machten wollte, ging das nur mit Billigung der Militärs“, erzählte der im Jahr 1993 festgenommene und später zu 23 Jahren Haft verurteilte „El Vaticano“ in einem Interview. 

Während eines Prozesses gab er zu Protokoll, dass er jeden Monat 50.000 Dollar an Montesinos zahlte. Die Geschäftsbeziehung ging in die Brüche, als Montesinos plötzlich das doppelte verlangte. Doch die Festnahme des Drogenbosses bedeutete nicht das Ende des Geschäfts, lediglich die Partner wurden getauscht. Einer der Gründer von Fujimoris Partei wurde im Jahr 2000 festgenommen, weil an Bord seiner Fischereiflotte Drogen geschmuggelt wurden. „Nach dem Sturz Fujimoris  Ende 2000 wurden aber sämtliche Ermittlungen wegen Drogenhandels archiviert. „Die gesamte Führungsspitze der Drogenmafia blieb unbehelligt“, kritisierte die spätere Anti-Drogen-Staatsanwältin Sonia Medina. Während eines Prozesses gab er zu Protokoll, dass er jeden Monat 50.000 Dollar an Montesinos zahlte. Die Geschäftsbeziehung ging in die Brüche, als Montesinos plötzlich das doppelte verlangte. Doch die Festnahme des Drogenbosses bedeutete nicht das Ende des Geschäfts, lediglich die Partner wurden getauscht. Einer der Gründer von Fujimoris Partei wurde im Jahr 2000 festgenommen, weil an Bord seiner Fischereiflotte Drogen geschmuggelt wurden. „Nach dem Sturz Fujimoris  Ende 2000 wurden aber sämtliche Ermittlungen wegen Drogenhandels archiviert. „Die gesamte Führungsspitze der Drogenmafia blieb unbehelligt“, kritisierte die spätere Anti-Drogen-Staatsanwältin Sonia Medina. 

 

Nach Fujimoris Inhaftierung ging seine Tochter Keiko in die Politik. Ihr Ziel war nicht nur die Macht, sondern vor allem die Freilassung ihres Vaters. Dafür destabilisierte die populäre Diktatorentochter zahlreiche Regierungen. 2024 gelang ihr das Vorhaben: Ihr Vater wurde von Interims-Präsidentin Dina Boluarte begnadigt. Sie erhielt im Gegenzug die Unterstützung der Fujimori-Partei Fuerza Popular im Kongress. Die Freilassung Fujimoris stiess auf internationalen Protest, inbesondere von Menschenrechtsorganisationen.

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