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Candomblé:
               Dia da Yemanjá

von Charlotte Eichhorn aus

Es ist der 2. Februar, ein wichtiger Tag, da der afro-brasilianische Neujahrsbeginn zu Ehren der Königin des Meeres, Yemanjá, ansteht.

Heutzutage findet man auch in einer der hintersten Ecken Brasiliens, z.B. in der mehrheitlich von Afro-Brasilianern bewohnten Kleinstadt Canavieiras in Bahia, mitten in einem von Familien bewohnten Viertel, das "Candomblé-Terreiro" - den Tempel des Pai Carlos, wo die "Naturreligion" Candomblé mit ihren Göttern, den Orixás, und den Grundelementen Erde, Feuer, Wasser und Luft verehrt wird.

Fähnchen wehen über von einer Straßenseite zur anderen, es duftet nach gutem Essen. Viele traditionell weißgekleidete Anwohner sitzen an kleinen Tischen. Sie sind teilweise durch kulturelle Blutsbande miteinander verbunden. Es herrscht fröhliche Festtagsstimmung. Für einmal werden gutnachbarliche Beziehungen gepflegt, während die weniger "Guten" auf Eis gelegt werden.

 

Man sieht auch viele sogenannte Sympathisanten - Anwohner, die der traditionellen Religion nicht angehören, aber dennoch am Fest interessiert sind und daran teilnehmen möchten.

Nach dem vom Terreiro gespendeten Essen, findet ein Ritual für die Meeresgöttin Yemanjá auf der anderen Straßenseite im örtlichen Tempel statt, auch bekannt als das "Axé" oder"Terreiro sacrada".

 

Das religiöse Candomblé-Oberhaupt, der Babalorixá, orientiert sich an seinen afrikanischen Angola-Vorfahren und wird einfach "Pai" (Vater) Carlos genannt. Gemeinsam mit der hierarchisch gleichgestellten Dofona (Mutter)  zelebriert er die Zeremonie, die, wie in jeder Religion, mit unterwürfigen hierarchischen Akten gegenüber ihm und der Dofona und auch spirituellem "Wegtreten" (Trance).

 

Diese Zeremonie wird vor dem offiziellen Festzug bis zum Meer am Tag der Königin Yemanjá abgehalten.

Pai Carlos

"Babalorixá" 

Candomblé-Tate

 

eine Art "Hohepriester

in seinem "Terreiro" (Tempel) in Canavieiras, Bahia.

Bildschirmfoto 2024-03-09 um 16.51_edited.png

Auch unbedarfte Syphatisant:innen sind herzlich willkommen. Sie können zusehen und nach der Zeremonie auch Fragen stellen.

Die Verfolgung von afro-brasilianischen kulturellen Riten hat sich über Hunderte von Jahren erstreckt. 

 

In den letzten Jahrzehnten haben viele verschiedene evangelikale Sekten in Brasilien Fuss gefasst.Einzelne von deren Anhänger haben körperliche Angriffe gegen Andersgläubige als normal angesehen, - insbesondere im Zusammenhang mit der afro-brasilianischen Kultur. In Bezug auf dieses Thema waren Bücher, Filme und Internetforen bis vor ein paar Jahren verpönt. 

 

Laut einer Studie geniessen alle Religionen in Brasilien ein höheres Vertrauen, als klassische, politische Parteien. Als die grössten evangelikalen Kirchen dann die politische Bühne betraten, verbandelte sich Religion und Politik. Die Evangelikalen sind der Hauptgrund dafür, dass "Jair Messias Bolsonaro", selbst Mitglied einer evangelikalen Sekte, von 2018 bis 2022 zum Präsidenten gewählt wurde. Unter seiner Regierung intensivierte sich die Verfolgung der afro-brasilianischen Kultur.

Natürlich gibt es unter den über 50 % farbigen Brasilianern auch solche, die mit den "Quilombolas" und ihrer Tradition nichts am Hut haben.

 

Dennoch, obwohl die Nachfahren der "Quilombolas" seit langem durch ein staatliches Dekret als ein traditionelles Volk geschützt sind, wird es ihnen auch heute noch schwer gemacht, den Quilombola-Status zu erlangen. Unter der neuen Regierung sind Angriffe zwar ein wenig zurückgegangen, aber Verfolgungen werden wohl nie ganz vom Tisch sein.

 

Der Mittelschullehrer Norberto, ein leidenschaftlicher LGBT-Vertreter und Mitglied eines "Terreiro sagrada", kann davon ein Lied singen.

Noberto Caires PT Canes

Mitglied Candomblé Gruppe

Mittelschulllehrer

Geschichte, Phiosophie

Bildschirmfoto 2024-03-12 um 16.51_edite

Unterdessen sind ungefähr ein Viertel der weissen brasilianischen Bevölkerung auch Mitglieder oder Sympathisanten von Ritualen wie Candomblé und Umbanda, während einige Indigene eher die ihrer Cosmovision ähnliche Macumba bevorzugen.

 

Obwohl die Hassmentalität in Brasilien insgesamt wieder zugenommen hat, gibt es schon seit jeher eine Hemmschwelle: z.B. Überbleibsel von afro-brasilianischen Riten wie liegengebliebene alte Kerzen am Strand, werden von vielen Menschen immer noch nicht angerührt. Dies geschieht meist nicht aus Respekt vor der Religion, sondern aus abergläubischer Angst vor der Rache der Orixas.

Schon in den 80er Jahren wurde mein damaliger Motorradunfall von brasilianischen Freunden und Mitarbeitern einer "negativen" Macumba-Zeremonie männlichen Kameraleuten die ich unterrichtete zugeschrieben, damit ich aus ihrem Leben verschwinde... Was dann auch geschah. Ich musste zur Behandlung in die Schweiz zurück geflogen werden.

Terreiros existieren nicht nur in Brasilien, sondern auch in anderen südamerikanischen Ländern mit Sklavenhintergrund wie Argentinien, Kuba und den karibischen Inseln, sowie in bei den ursprünglichen afrikanischen Völkern.

 

Der Glaube an das Spirituelle, Übersinnliche wird seit Jahrzehnten vermehrt auch in Europa geteilt, einschliesslich der Schweiz. Zusammen mit der Angst der Umweltzerstörung verehren sowohl Heimweh-Brasilianer als auch dort initiierte weisse Frauen und Männer in lokalen "Terreiros sagradas" die afro-brasilianischen Götter der Natur.

Pai Carlos wollte eigentlich mit uns schweizerische Terreiros besuchen, leider ist er verhindert weil er in Canavieiras seine krebskranke Tochter betreuen muss. 

Vielleicht im nächsten Jahr.

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